Geschichte der Kirchen in Kiel

Geschichte der Kirchen in Kiel (von 1242 bis 1900)

Schon vor der Gründung der Stadt Kiel im Jahr 1242 befand sich in der sich keilförmig verengenden Bucht („tom kyle“) eine Kaufmannssiedlung mit einer Kaufmannskirche, die sowohl dem Gottesdienst wie der Lagerung von Waren diente. An diesem Ort wurden Güter umgeschlagen (z. B. Tuche), die aus Flandern über Nordsee und Eider nach Flemhude (flämischer Hafen) und von dort über einen kurzen Landweg an diesen Hafen an der Ostsee gebracht worden waren. Von hier aus konnten sie dann weiter per Schiff in andere Ostseehäfen transportiert werden.

In der Zeit der Gründung der Stadt wurde mit dem Bau der Nikolaikirche begonnen, sie war dem Nikolaus als Schutzheiligen der Seefahrer und Kaufleute geweiht . Auch wurde das Franziskanerkloster erbaut, das der Stadtgründer Graf Adolf IV. stiftete und in dem er nach seiner Abdankung selbst als Mönch lebte. Daneben wurde das Heiligen-Geist-Spital mit Kapelle errichtet, in dem für Kranke, Alte und Arme gesorgt wurde und die Gemeinschaft der Bewohner nach strengen geistlichen Regeln gestaltet wurde. Außerdem gab es mehrere Kapellen, darunter die St. Jürgens-Kapelle mit Hospital und Friedhof in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs. Damals befand sie sich vor den Toren der Stadt, die nur ein Gebiet von ca. 17 Hektar umfasste. Gilden hatten großen Einfluss auf das soziale und kulturelle Leben der Stadt – von der „Priesterkaland“ bis zur „Elendengilde“ von St. Jürgen mit dem Aussätzigenhospiz. Immer hatten sie einen kirchlichen Bezug. Die Angehörigen der reichen Oberschicht orientierten sich an der Nikolaikirche. Die Grafen übergaben das Patronat über die Nikolaikirche den Augustinern, die seit 1332 in Bordesholm ihren Sitz hatten. Die Augustiner hatten jetzt unter anderem das Recht, den Pfarrer und zwei Kapläne zu stellen und sie konnten über die Einkünfte der Kirche verfügen. Viele Kieler empfanden das als Fremdherrschaft, es kam zu Aufständen. Wenig Begüterte (z. B. einfache Handwerker) und Arme orientierten sich an dem Franziskanerkloster mit der Heiligengeist-Kirche. Die Mönche, die selbst das Armutsgelübde abgelegt hatten, kümmerten sich um Arme und Kranke, ihre Seelsorge war gefragt. Später kam es zu sozialen Auseinandersetzungen, als im Kloster – allen Protesten zum Trotz – prunkvolle Hochzeitsfeste des holsteinischen Landadels gefeiert wurden.

Im Jahre 1526 kamen erste evangelische Prediger nach Kiel. Dazu gehörte Marquard Schuldorp. Er stammte aus einer Kieler Ratsfamilie, hatte bei Martin Luther in Wittenberg studiert und verkündete als Vikar in der Nikolaikirche das „reine Gotteswort“. In derselben Zeit predigte Melchior Hoffmann dort, ein Laienprediger, der zu dem radikalen Flügel der Reformation gehörte. Er sprach viele Menschen an, erweckte aber mit einer sozialkritischen Botschaft und spiritualistischen Lehre Widerstand beim Rat. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Reformatoren. Der amtierende Stadtpfarrer, der der „alten“ Lehre anhing, versuchte, beide Kontrahenten gegeneinander auszuspielen, verlor aber dabei sein Amt. Nachdem Hoffmann des Landes verwiesen worden war, nahm die Reformation in Kiel einen gemäßigten lutherischen Weg, wie er der Kirchenordnung Johannes Bugenhagens entsprach. Das Franziskanerkloster wurde aufgelöst, sein Besitz kam an die Stadt. Es wurde zur Lateinschule, zum Hospital mit Kirche, schließlich im Jahre 1665 zur Stätte der neugegründeten Christian-Albrechts-Universität.

Nachdem Kiel zu Preußen gekommen (1867) und zum Reichskriegshafen geworden war (1871), stieg die Einwohnerzahl rasant – von 18 800 im Jahre 1864 bis auf 175 100 im Jahr 1905. Kiel wurde Stadt der Werften nd der Marine mit Garnisonskirchen (zunächst Pauluskirche, dann St. Heinrichkirche und Petruskirche in der Wik). Zu den Gemeinden in Kiel und Umgebung, die aus dem Mittelalter stammten (St. Nikolai, Flemhude, Westensee, Elmschenhagen, Schönkirchen, Westensee), kamen um das Jahr 1900 neue evangelische Gemeinden (Holtenau, Kiel-Wik, Ansgar, Heiligen-Geist, Luther, Jacobi, Vicelin, St. Jürgen, Michaelis, Gaarden und Bugenhagen in Ellerbek und Wellingdorf). Durch den Aufbau von Marine und Verwaltung sowie durch die Bauarbeiten für den Nord-Ostsee-Kanal waren viele Katholiken nach Kiel gekommen. Sie hatten in der preußischen Verfassung dieselben Rechte wie die Protestanten. Zuerst wurde die Nikolaus-Kirche in der Nähe des jetzigen Rathauses gebaut (1893), dann entstand Liebfrauen (1930). Im Jahre 1908 waren in Kiel 18 evangelische und 2 katholische Gemeindepastoren tätig, hinzu kamen 15 evangelische und 6 katholische Militärpfarrer. Auch evangelische Freikirchen entstanden, zunächst meist als „Hauskreise“ in den Wohnungen

Das außerordentliche Wachstum der Einwohnerzahl stellte in Kiel die Kirchen vor große Herausforderungen. Die sozialen Probleme nahmen zu, ohne dass es – wie im Mittelalter – ausreichend Gemeinschaften gab, die Rückhalt und Fürsorge gewährten. Auch kam es in den gesellschaftlichen Umbrüchen vielfach zu einer Entfremdung von den Kirchen und von religiösen Wurzeln insgesamt. So wurde 1904 als Verein die „Kieler Stadtmission“ gegründet, die eine zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums mit sozialer Arbeit verband. Es entstanden u. a. Arbeitsstätten für arbeitslose Männer, ein Obdachlosenasyl, ein Frauenhaus und eine Kinderzufluchtsstätte sowie Jugendheime mit Arbeitsvermittlung. Diese Arbeit, die bis heute weiterwirkt und jetzt ihr hundertjähriges Jubiläum begeht, zeigt beispielhaft, wie Christen das Evangelium in Wort und Tat Menschen in der jeweiligen Situation nahe bringen.

Literatur:
Geschichte der Stadt Kiel, hrsg. v. J. Jensen u. P. Wulf, Neumünster 1991
Kirche in Kiel. hrsg. v. K.-B. Hasselmann, Neumünster 1991, S.9ff
Zur NS-Zeit vgl.: Als Jesus arisch wurde. Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933-1945, hrsg. V. A. Göhres. S. Linck. J. Liß-Walther, Bremen 2003